Wilhelm Krüggeler ist Familienforscher
Haben meine Vorfahren im Dreißigjährigen Krieg gelitten? Waren sie Rädelsführer in den finsteren Zeiten der Hexenverfolgung? Wer es wissen will, ist bei Genealogen wie Wilhelm Krüggeler an der richtigen Adresse.
Wilhelm Krüggeler liebt es, alte Dokumente zu lesen. Für seine Kunden erforscht er deren persönliche Familiengeschichte. Und wer es möchte, bekommt die Geschichte seiner Familie in packender Erzählform. Foto: Annegret Schwegmann
 
Wahrscheinlich kann ein Mann wie Wilhelm Krüggeler gar nichts anderes tun, als Geschichten der Geschichte zu erforschen. „Sehen Sie die Mauer dort?“ Der Familienforscher öffnet die Flügeltür seiner Wohnung im obersten Stockwerk eines Hauses tief im Herzen der Paderborner Altstadt und zeigt auf eine Mauer in 50 Metern Entfernung.
 
„Das sind die Überreste der alten Kaiserpfalz“, sagt er und erzählt von Karl dem Großen, der Papst Leo III. in seiner Paderborner Residenz Zuflucht gewährte. Der Papst hatte das aufständische Rom Hals über Kopf verlassen, um den Frankenkönig um Hilfe zu bitten. „Angeblich hat er ihm als Gegenleistung die Kaiserkrone angeboten.“ Ob das stimmt? Krüggeler zuckt ratlos mit den Schultern. Bei dieser Frage müssen auch erfahrene Genealogen wie er passen.
 
Eheprotokolle werden nicht langweilig
Krüggeler hat wieder Platz an seinem Schreibtisch genommen und entziffert ein in altdeutscher Schrift verfasstes lippisches Eheprotokoll aus dem Jahr 1779. Der 73-Jährige hat in den mehr als 30 Jahren, in denen er wie ein knappes Dutzend Kollegen in Deutschland von der Familienforschung lebt, zwar schon Dutzende solcher Protokolle gelesen. Müde wird er ihrer trotzdem nicht.
 
Christoph Stolte, ein Witwer und Vater von zwei Kindern, verfügt darin kurz vor seiner Eheschließung mit seiner zweiten Frau, dass seine Kinder den ihnen rechtlich zustehenden Anteil des Barvermögens und Grundbesitzes bekommen werden.Krüggeler denkt augenblicklich an die Ehefrau Nummer zwei, der ein solcher Vertrag ein böse stechender Dorn im Auge gewesen sein muss. „Die Kinder, die aus der Ehe hervorgingen, waren praktisch mittellos“, sagt Krüggeler. Und das stand schon lange vor ihrer Geburt fest.
 
Hauptsache adelig
Der Paderborner ist in seinem Forscherleben schon vielen verschiedenen Charakteren begegnet. Solchen, die ernsthaft daran interessiert sind, mehr über ihre Wurzeln zu erfahren. Und anderen, denen es schmeichelt, wenn sie die Geschichte ihrer Familien mindestens bis zum Dreißigjährigen Krieg belegen können. Einer hat ihn kürzlich besonders amüsiert. „Der wollte unbedingt adelig sein. Auf Genauigkeit kam es ihm nicht an.“ Krüggeler hat dankend abgelehnt. Auf solche Aufträge kann er bestens verzichten.
 
Allein des guten Rufes wegen. Als sich der gelernte Kaufmann und Sozialarbeiter 1989 entschied, selbstständiger Familienforscher zu werden, wandte er sich zunächst an die Archive, mit denen er bislang in eigener Sache zusammengearbeitet hatte. Später entwickelte sich eine lukrative Kooperation mit einer Firma, die Wappen für ihre Kunden entwirft. Und damit dabei keine Fantasiewappen entstehen, müssen Genealogen wie Krüggeler zunächst die geschichtlichen Hintergründe der Familien erforschen.
 
Gelegentlich kümmert sich der Paderborner auch um Familiennachlässe und sucht nach nahen Verwandten von Verstorbenen. „Langweilig wird das nie“, sagt er. „Das ist immer wieder wie ein Abtauchen in eine fremde Welt.“
 
Die meisten Kunden würden sich wünschen, so viel über ihre Vorfahren zu erfahren wie Krüggeler selbst über seine eigene Familie. „Meine Mutter war geschichtlich interessiert.“ Und als sie ihm erzählte, dass viele Mitglieder seiner Familie Geld von einer Stiftung bezogen hätten, die die Ausbildung von Geistlichen und Handwerkern unterstützte, war seine Neugier geweckt.
 
Der 73-Jährige ist seitdem vielen Familienmitgliedern begegnet – traurigen und manchmal auch zweifelhaften. „Ein Vorfahr ist im Dreißigjährigen Krieg von den Hessen erschossen worden, als er sein Dorf verteidigte“, erzählt er. Ein anderer dürfte als Hexenrichter eine unrühmliche Figur gemacht haben.
 
Wieder einmal viel Forscherarbeit
Krüggeler zieht aus einem Papierstapel einen Zettel hervor, den er in den vergangenen Wochen häufig mit zunehmender Heiterkeit gelesen hat. Eine neue Kundin hat darauf einen Stammbaum gemalt und beiläufig erwähnt, dass sie ihm mit diesem Zettel sicherlich eine Menge Arbeit abnehme.
 
Wie man es nimmt: Auf den Stammbaum hat sie zwar viele Namen und manchmal auch persönliche Lebensdaten gemalt. Nur der Geburtsort ist unfreiwillig verwirrend. „Der heißt immer Deutschland.“ Wie es aussieht, wird Krüggeler in den nächsten Wochen die Bücher vieler Kirchen- und Landesarchive durchforsten müssen – damit Deutschland seine Orte bekommt . . .
 
Allgemeine Zeitung Coesfeld  10.04.2021 >Externer Link<
 

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